George Enescu
(* 19. August 1881 in Liveni, Rumänien – † 4. Mai 1955 in Paris, Frankreich)

„In Enescu wurde die Musik zur Stimme
 des menschlichen Wesens schlechthin, einer Stimme, die das Unsagbare aussprach.“
Yehudi Menuhin

„Diese Geschichte beginnt weit entfernt, in der moldawischen Ebene, und endet hier, im Herzen von Paris … Natürlich, der Weg war lang. Aber er schien mir so kurz!“ (aus Bernard Gavotys Les Souvenirs de Georges Enesco). Am 19. August 1881 wird Enescu im kleinen moldawischen Dorf Liveni geboren. Er ist das achte Kind von Maria und Costache, und das erste, das überlebt. Im Alter von vier Jahren beginnt er mit Violinunterricht bei dem charismatischen „Lăutar“ Lae Chioru. Später wird dem Vater von Eduard Caudella aus Iași (einem Schüler Vieuxtemps’) geraten, das außerordentlich begabte Kind nach Wien zu bringen.

      

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  Es folgt das Studium am Wiener Konservatorium, das Enescu 1893 mit der Gesellschaftsmedaille abschließt. Seine Lehrer sind Josef Hellmesberger jun. für Violine (bei dem er sogar wohnt), Robert Fuchs (Komposition) und Ludwig Ernst (Klavier). Nach seinem Debüt als Geiger im Wiener Musikverein wird er von den Kritikern als „der neue Mozart“ bezeichnet. In diesem „europäischen Babelturm“ (Enescus Worte für Wien) trifft er seine „musikalischen Götter“: Brahms, „erschreckend, aber doch zart und voller Genie“ und den „noch lebendigen Schatten Beethovens“, aus dessen Manuskripten der kleine Enescu spielt.

1895 verlässt er Wien, um ins Pariser Conservatoire einzutreten, wo er bei Massenet, Fauré und Gedalge Komposition studiert, bei Marsick Violine und bei Diémer Klavier. Seine Kollegen sind Ravel, Schmitt, Roger-Ducasse sowie Kreisler, Flesch und Thibaud. Es folgen die Jahre seiner ersten wichtigen Kompositionen, angefangen mit dem triumphalen Debüt seines Poème Roumain (1898), das ihm sowohl Ruhm als auch Neid einbringt. Als 17-jähriger Student „irritiert“ er so manchen mit seinen frühen Erfolgen als Komponist und Geigenvirtuose. Wie Gavoty sagte: „Talent wird unterstützt, aber Genie beunruhigt.“

Enescus größte „Sünde“ war die Fähigkeit, vieles zu meistern und all das herausragend: als Komponist, Geiger, Pianist, Dirigent, Pädagoge, sogar Organist und Cellist! Dies und sein legendäres musikalisches Gedächtnis verblüfften. Und doch stehen seine Kompositionen im Schatten seiner spektakulären Virtuosenkarriere – womit er ein Leben lang kämpft. 1909 sieht Enescu den Schauspieler Jean Mounet-Sully als Sophokles’ König Oedipus und spürt den unwiderstehlichen Drang, eine Oper aus diesem Stoff zu machen.

Während des Weltkrieges hält er sich meistens in Rumänien auf, wo die Freundschaft mit der Prinzessin Maria Cantacuzino (Maruca), der Liebe seines Lebens, beginnt. Er gründet das Sinfonieorchester in Iași (1917) sowie die „Gesellschaft Rumänischer Komponisten“ (1920). Nach Kriegsende nimmt er die Auslandstourneen und die Arbeit an der Oper Œdipe wieder auf. 1923 debütiert er als Dirigent mit dem Philadelphia Orchestra und wird als solcher in den USA berühmt. Obwohl er lange Abschnitte seines Lebens in Paris und den USA verbringt, bleibt er seiner Heimat eng verbunden: 1923 kauft Enescu Land in den Karpaten und lässt nach eigenen Entwürfen die Villa Luminiș in Sinaia bauen. Hier verbringt er mit Maruca die Sommermonate, in denen viele Meisterwerke seiner zweiten Schaffensphase entstehen. Außerdem setzt er seine Reisen als gefeierter Violinvirtuose und Dirigent sowie die pädagogische Tätigkeit fort.

In den dreißiger Jahren treten erste Anzeichen eines Wirbelsäulen- und später eines Hörleidens auf. 1937 heiratet er Maruca und bezieht das Palais Cantacuzino in Bukarest (heute das Enescu Museum). 1946 verlässt Enescu aus politischen Gründen schweren Herzens Rumänien und reist nach New York. Er spürt, dass er sein Heimatland nie wieder sehen wird. Obwohl er sich nach einem zurückgezogenen Leben sehnt, um in Ruhe komponieren zu können, sieht er sich erneut gezwungen, sein Geld als Virtuose zu verdienen (seine Ersparnisse sind der Nachkriegs-Inflation zum Opfer gefallen); dennoch spendet er einen Großteil seines Rest-Vermögens für wohltätige Zwecke.

Die letzten Lebensjahre verbringt Enescu in Paris, wo er 1954 einen Schlaganfall erleidet (das Ende der Kammersymphonie wird er diktieren). Enescu stirbt am 4. Mai 1955 und ruht auf dem Friedhof Père Lachaise. Sein höchst originelles Œuvre, das sich jeglichen stilistischen Eingrenzungen entzieht, wartet immer noch auf seine vollständige Entdeckung und angemessene Anerkennung.